1 Ich {Das dritte Lied ist wie die beiden ersten gebildet, nur mit dem Unterschiede, daß hier jede Strophenzeile mit dem Anfangsbuchstaben der Strophe beginnt} bin der Mann, der Elend gesehen durch die Rute seines Grimmes.

2 Mich hat er geleitet und geführt in Finsternis und Dunkel {Eig. und Nicht-Licht}.

3 Nur {O. Fürwahr} gegen mich kehrt er immer wieder seine Hand den ganzen Tag.

4 Er hat verfallen lassen mein Fleisch und meine Haut, meine Gebeine hat er zerschlagen.

5 Bitterkeit {Eig. Gift} und Mühsal hat er wider mich gebaut und mich damit umringt.

6 Er ließ mich wohnen in Finsternissen, gleich den Toten der Urzeit {O. gleich ewig Toten (welche nie wiederkommen); vergl. auch Ps. 143,3}.

7 Er hat mich umzäunt, daß ich nicht herauskommen kann; er hat schwer gemacht meine Fesseln.

8 Wenn ich auch schreie und rufe, so hemmt er mein Gebet {Vergl. V.44}.

9 Meine Wege hat er mit Quadern vermauert, meine Pfade umgekehrt. {d.h. von Grund aus zerstört}

10 Ein lauernder Bär ist er mir, ein Löwe im Versteck.

11 Er hat mir die Wege entzogen und hat mich zerfleischt, mich verwüstet.

12 Er hat seinen Bogen gespannt und mich wie ein Ziel dem Pfeile hingestellt.

13 Er ließ in meine Nieren dringen die Söhne seines Köchers.

14 Meinem ganzen Volke bin ich zum Gelächter geworden, bin ihr Saitenspiel den ganzen Tag.

15 Mit Bitterkeiten hat er mich gesättigt, mit Wermut mich getränkt.

16 Und er hat mit Kies meine Zähne zermalmt, hat mich niedergedrückt in die Asche.

17 Und meine Seele ist vom Frieden {O. von der Wohlfahrt} , verstoßen, ich habe des Guten {O. des Glücks} vergessen.

18 Und ich sprach: Dahin ist meine Lebenskraft und meine Hoffnung auf {Eig. von} Jehova.

19 Gedenke meines Elends und meines Umherirrens, des Wermuts und der Bitterkeit {Eig. des Giftes} !

20 Beständig denkt meine Seele daran und ist niedergebeugt in mir.

21 Dies will ich mir zu Herzen nehmen, darum will ich hoffen:

22 Es sind die Gütigkeiten Jehovas, daß wir nicht aufgerieben sind; denn seine Erbarmungen sind nicht zu Ende {O. nicht aufgerieben, daß seine Erbarmungen nicht zu Ende sind};

23 sie sind alle Morgen neu, deine Treue ist groß.

24 Jehova ist mein Teil, sagt meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen.

25 Gütig ist Jehova gegen die, welche auf ihn harren, gegen die Seele, die nach ihm trachtet.

26 Es ist gut, daß man still warte {Eig. warte, und zwar still} auf die Rettung Jehovas.

27 Es ist dem Manne gut, daß er das Joch in seiner Jugend trage.

28 Er sitze einsam und schweige, weil er es ihm {O. wenn er ihm etwas} auferlegt hat;

29 er lege seinen Mund in den Staub; vielleicht gibt es Hoffnung.

30 Dem, der ihn schlägt, reiche er den Backen dar, werde mit Schmach gesättigt {d.h. lasse sich mit Schmach sättigen}.

31 Denn der Herr verstößt nicht ewiglich;

32 sondern wenn er betrübt hat, erbarmt er sich nach der Menge seiner Gütigkeiten.

33 Denn nicht von Herzen plagt {O. demütiget} und betrübt er die Menschenkinder.

34 Daß man alle Gefangenen der Erde unter seinen Füßen zertrete,

35 das Recht eines Mannes beuge vor dem Angesicht des Höchsten,

36 einem Menschen Unrecht tue in seiner Streitsache: Sollte der Herr nicht darauf achten?

37 Wer ist, der da sprach, und es geschah, ohne daß der Herr es geboten?

38 Das Böse und das Gute, geht es nicht aus dem Munde des Höchsten hervor?

39 Was beklagt sich der lebende Mensch? über seine Sünden beklage sich der Mann! {O. Was beklagt sich der lebende Mensch, der Mann über seine Sündenstrafe?}

40 Prüfen und erforschen wir unsere Wege, und laßt uns zu Jehova {Eig. bis zu Jehova hin} umkehren!

41 laßt uns unser Herz samt den Händen erheben zu Gott {El} im Himmel!

42 Wir, wir sind abgefallen und sind widerspenstig gewesen; du hast nicht vergeben.

43 Du hast dich in Zorn gehüllt und hast uns verfolgt; du hast hingemordet ohne Schonung.

44 Du hast dich in eine Wolke gehüllt, so daß kein Gebet hindurchdrang.

45 Du hast uns zum Kehricht und zum Ekel gemacht inmitten der Völker.

46 Alle unsere Feinde haben ihren Mund gegen uns aufgesperrt.

47 Grauen und Grube sind über uns gekommen, Verwüstung und Zertrümmerung.

48 Mit Wasserbächen rinnt mein Auge wegen der Zertrümmerung der Tochter meines Volkes.

49 Mein Auge ergießt sich ruhelos und ohne Rast,

50 bis Jehova vom Himmel herniederschaue und dareinsehe.

51 Mein Auge schmerzt mich {W. schmerzt meine Seele} wegen aller Töchter meiner Stadt.

52 Wie einen Vogel haben mich heftig gejagt, die ohne Ursache meine Feinde sind.

53 Sie haben mein Leben in die Grube hinein vernichtet und Steine auf mich geworfen.

54 Wasser strömten über mein Haupt; ich sprach: Ich bin abgeschnitten!

55 Jehova, ich habe deinen Namen angerufen aus der tiefsten Grube.

56 Du hast meine Stimme gehört; verbirg dein Ohr nicht vor meinem Seufzen, meinem Schreien!

57 Du hast dich genaht an dem Tage, da ich dich anrief; du sprachst: Fürchte dich nicht!

58 Herr, du hast die Rechtssachen meiner Seele geführt, hast mein Leben erlöst.

59 Jehova, du hast meine Bedrückung gesehen; verhilf mir zu meinem Rechte {Eig. entscheide meine Rechtssache} !

60 Du hast gesehen alle ihre Rache, alle ihre Anschläge gegen mich.

61 Jehova, du hast ihr Schmähen gehört, alle ihre Anschläge wider mich,

62 das Gerede derer, die wider mich aufgestanden sind, und ihr Sinnen wider mich den ganzen Tag.

63 Schaue an ihr Sitzen und ihr Aufstehen! ich bin ihr Saitenspiel.

64 Jehova, erstatte ihnen Vergeltung nach dem Werke ihrer Hände!

65 Gib ihnen {O. du wirst ihnen erstatten... wirst ihnen geben usw.} Verblendung {Eig. Verdeckung} des Herzens, dein Fluch komme über sie!

66 Verfolge sie im Zorne und tilge sie unter Jehovas Himmel hinweg!

1 Ich bin ein elender Mann, der die Rute seines Grimmes sehen muß.

2 Er hat mich geführt und lassen gehen in die Finsternis und nicht in Licht.

3 Er hat seine Hand gewendet wider mich und handelt gar anders mit mir für und für.

4 Er hat mir Fleisch und Haut alt gemacht und mein Gebein zerschlagen.

5 Er hat mich verbaut und mich mit Galle und Mühe umgeben.

6 Er hat mich in Finsternis gelegt wie die, so längst tot sind.

7 Er hat mich vermauert, daß ich nicht heraus kann, und mich in harte Fesseln gelegt.

8 Und wenn ich gleich schreie und rufe, so stopft er die Ohren zu vor meinem Gebet.

9 Er hat meinen Weg vermauert mit Werkstücken und meinen Steig umgekehrt.

10 Er hat auf mich gelauert wie ein Bär, wie ein Löwe im Verborgenen.

11 Er läßt mich des Weges fehlen. Er hat mich zerstückt und zunichte gemacht.

12 Er hat seinen Bogen gespannt und mich dem Pfeil zum Ziel gesteckt.

13 Er hat aus dem Köcher in meine Nieren schießen lassen.

14 Ich bin ein Spott allem meinem Volk und täglich ihr Liedlein.

15 Er hat mich mit Bitterkeit gesättigt und mit Wermut getränkt.

16 Er hat meine Zähne zu kleinen Stücken zerschlagen. Er wälzt mich in der Asche.

17 Meine Seele ist aus dem Frieden vertrieben; ich muß des Guten vergessen.

18 Ich sprach: Mein Vermögen ist dahin und meine Hoffnung auf den HERRN.

19 Gedenke doch, wie ich so elend und verlassen, mit Wermut und Galle getränkt bin!

20 Du wirst ja daran gedenken; denn meine Seele sagt mir es.

21 Das nehme ich zu Herzen, darum hoffe ich noch.

22 Die Güte des HERRN ist's, daß wir nicht gar aus sind; seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende,

23 sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.

24 Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen.

25 Denn der HERR ist freundlich dem, der auf sie harrt, und der Seele, die nach ihm fragt.

26 Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen.

27 Es ist ein köstlich Ding einem Mann, daß er das Joch in seiner Jugend trage;

28 daß ein Verlassener geduldig sei, wenn ihn etwas überfällt,

29 und seinen Mund in den Staub stecke und der Hoffnung warte

30 und lasse sich auf die Backen schlagen und viel Schmach anlegen.

31 Denn der HERR verstößt nicht ewiglich;

32 sondern er betrübt wohl, und erbarmt sich wieder nach seiner Güte.

33 Denn er nicht von Herzen die Menschen plagt und betrübt,

34 als wollte er die Gefangenen auf Erden gar unter seine Füße zertreten

35 und eines Mannes Recht vor dem Allerhöchsten beugen lassen

36 und eines Menschen Sache verkehren lassen, gleich als sähe es der HERR nicht.

37 Wer darf denn sagen, daß solches geschehe ohne des HERRN Befehl

38 und daß nicht Böses und Gutes komme aus dem Munde des Allerhöchsten?

39 Wie murren denn die Leute im Leben also? Ein jeglicher murre wider seine Sünde!

40 Und laßt uns erforschen und prüfen unser Wesen und uns zum HERRN bekehren!

41 Laßt uns unser Herz samt den Händen aufheben zu Gott im Himmel!

42 Wir, wir haben gesündigt und sind ungehorsam gewesen; darum hast du billig nicht verschont;

43 sondern du hast uns mit Zorn überschüttet und verfolgt und ohne Barmherzigkeit erwürgt.

44 Du hast dich mit einer Wolke verdeckt, daß kein Gebet hindurch konnte.

45 Du hast uns zu Kot und Unflat gemacht unter den Völkern.

46 Alle unsre Feinde sperren ihr Maul auf wider uns.

47 Wir werden gedrückt und geplagt mit Schrecken und Angst.

48 Meine Augen rinnen mit Wasserbächen über den Jammer der Tochter meines Volks.

49 Meine Augen fließen und können nicht ablassen; denn es ist kein Aufhören da,

50 bis der HERR vom Himmel herabschaue uns sehe darein.

51 Mein Auge frißt mir das Leben weg um die Töchter meiner Stadt.

52 Meine Feinde haben mich gehetzt wie einen Vogel ohne Ursache;

53 sie haben mein Leben in einer Grube fast umgebracht und Steine auf mich geworfen;

54 sie haben mein Haupt mit Wasser überschüttet; da sprach ich: Nun bin ich gar dahin.

55 Ich rief aber deinen Namen an, HERR, unten aus der Grube,

56 und du erhörtest meine Stimme: Verbirg deine Ohren nicht vor meinem Seufzen und Schreien!

57 Du nahest dich zu mir, wenn ich dich anrufe, und sprichst: Fürchte dich nicht!

58 Du führest, HERR, die Sache meiner Seele und erlösest mein Leben.

59 Du siehest, HERR, wie mir so Unrecht geschieht; hilf mir zu meinem Recht!

60 Du siehst alle ihre Rache und alle ihre Gedanken wider mich.

61 HERR, du hörest ihr Schmähen und alle ihre Gedanken über mich,

62 die Lippen meiner Widersacher und ihr dichten wider mich täglich.

63 Schaue doch, sie sitzen oder stehen auf, so singen sie von mir ein Liedlein.

64 Vergilt ihnen, HERR, wie sie verdient haben!

65 Laß ihnen das Herz erschrecken, laß sie deinen Fluch fühlen!

66 Verfolge sie mit deinem Grimm und vertilge sie unter dem Himmel des HERRN.